Cornelius „Corny“ Littmann, geboren am 21. November 1952 in Münster, hat sich von seinen Anfängen als politischer Aktivist zu einer der prägendsten Figuren des Hamburger Kulturlebens entwickelt. Als Theatermacher, Unternehmer, Fußballfunktionär und LGBTQ+-Aktivist hat er auf vielfältige Weise die kulturelle Landschaft Hamburgs und die gesellschaftliche Akzeptanz von Homosexuellen in Deutschland beeinflusst.
- Prägende Kindheit und Jugend
- Politisches Engagement und mutiger Aktivismus
- Der Weg zum Theatermacher
- Bundesweite Bekanntheit durch das Fernsehen
- Erfolgreiche Regiearbeiten und Theaterproduktionen
- Fußballfunktionär mit Visionen
- Auszeichnungen und Ehrungen
- Privates und Ausblick
- Auf den Spuren der Kiez-Ikonen – jetzt selbst erleben
Prägende Kindheit und Jugend
Er wuchs zunächst in Münster und Berlin auf. Ein einschneidendes Erlebnis war der frühe Tod seiner Mutter, die starb, als er acht Jahre alt war – nach seinen eigenen Worten ein Ereignis, das ihm ein „spezielles Verhältnis zur Endlichkeit des Lebens“ vermittelte. 1970 zog die Familie nach Hamburg, wo Littmann das Gymnasium besuchte und später Psychologie studierte. Während des Studiums engagierte er sich bereits politisch und als Aktivist, brach das Studium jedoch später ab, um sich seiner wahren Leidenschaft zu widmen: dem Theater.
Politisches Engagement und mutiger Aktivismus
Mit 18 Jahren hatte Littmann sein Coming-out. Ab 1976 trat er mit der Theatergruppe „Brühwarm“ auf und thematisierte die Anliegen der damals noch jungen Schwulenbewegung. 1979 schloss er sich der Grün-Alternativen Liste (GAL) an und setzte sich erfolgreich dafür ein, dass Forderungen zur gesellschaftlichen Gleichstellung Homosexueller in das erste Grundsatzprogramm der Grünen aufgenommen wurden – ein Meilenstein in der deutschen Parteienlandschaft.
Bei der Bundestagswahl 1980 trat Littmann als Spitzenkandidat der Grünen in Hamburg an, konnte jedoch mit nur 2,3 Prozent der Zweitstimmen nicht in den Bundestag einziehen. Im selben Jahr sorgte er mit einer aufsehenerregenden Aktion für Schlagzeilen: Um die Verfolgung von Homosexuellen anzuprangern, zerschlug er gemeinsam mit Gleichgesinnten Spiegel in öffentlichen Toiletten an prominenten Orten Hamburgs – hinter diesen Spiegeln hatten Polizeibeamte die sogenannten „Klappen“ überwacht. Diese „Klappen-Affäre“ gilt als bedeutender Moment im Kampf gegen die Diskriminierung von Homosexuellen in Deutschland.
Der Weg zum Theatermacher
Gemeinsam mit dem Kabarettisten Gunter Schmidt gründete Littmann 1982 das Tourneetheater „Familie Schmidt“. Mit Stücken unter dem Motto „deutsch, aufrecht, homosexuell“ zogen sie durch Deutschland und legten damit den Grundstein für Littmanns weitere Karriere. Von 1982 bis 1985 leitete er zudem die freien Theatergruppen auf dem Hamburger Kampnagel-Gelände.
Der Durchbruch kam am 8. August 1988 (8.8.88 um 8:08 Uhr), als Littmann zusammen mit weiteren Gesellschaftern das „Schmidt Theater“ auf dem Spielbudenplatz in St. Pauli eröffnete. Unter den Gesellschaftern: Ernie Reinhardt, besser bekannt als Lilo Wanders und Olivia Jones erster Manager. Nur drei Jahre später, am 1. September 1991, folgte mit dem „Schmidts Tivoli“ die zweite Spielstätte, 2015 kam als dritte Bühne das „Schmidtchen“ im neugebauten Klubhaus St. Pauli hinzu.
Bundesweite Bekanntheit durch das Fernsehen
Einem breiten Publikum wurde Littmann in den frühen 1990er Jahren als „Herr Schmidt“ in der „Schmidt Mitternachtsshow“ des NDR bekannt. Gemeinsam mit seinen Co-Moderatoren „Lilo Wanders“ (Ernie Reinhardt) und „Marlene Jaschke“ (Jutta Wübbe) sorgte er regelmäßig für Aufsehen und Kontroversen – etwa als der Bayerische Rundfunk sich aus einer Sendung ausblendete, nachdem Littmann ein Plakat der Deutschen Aidshilfe mit zwei Männern beim Oralverkehr gezeigt hatte. Trotz oder gerade wegen solcher Provokationen wurde die Show 1991 mit dem Adolf-Grimme-Preis in Silber ausgezeichnet.
Erfolgreiche Regiearbeiten und Theaterproduktionen
Nach dem Ende der Mitternachtsshow wandte sich Littmann verstärkt der Regiearbeit zu.
Besonders erwähnenswert ist „Heiße Ecke – Das St. Pauli Musical“, das seit seiner Premiere 2003 ununterbrochen im Schmidts Tivoli läuft und damit zu den erfolgreichsten privaten Musicalproduktionen Deutschlands zählt. Mit mehreren Millionen Besuchern hat es sich als Publikumsmagnet und wirtschaftliches Standbein von Littmanns Unternehmen etabliert.
Fußballfunktionär mit Visionen
Eine überraschende Wendung nahm Littmanns Karriere im Februar 2003, als er zum Präsidenten des FC St. Pauli gewählt wurde – ein Amt, das er bis Mai 2010 innehatte. Als erster offen schwuler Präsident eines Profifußballvereins sorgte er für Aufsehen, brachte aber auch den damals finanziell angeschlagenen Verein wieder auf Kurs. Unter seiner Leitung stieg der FC St. Pauli von der Regionalliga bis in die Bundesliga auf. Erfolgreiche Marketingaktionen wie die T-Shirts „Weltpokalsiegerbesieger“ und „Retter“ fallen ebenfalls in seine Amtszeit. Nach dem Bundesligaaufstieg 2010 trat er zurück, blieb dem Verein aber als „Freund und Fan“ verbunden.
Auszeichnungen und Ehrungen
Für sein vielfältiges Engagement erhielt Littmann zahlreiche Auszeichnungen, darunter den Titel „Hamburger Unternehmer des Jahres 1999“, den Max-Brauer-Preis der Alfred Toepfer Stiftung (2010), den Maneo-Award für sein Engagement gegen Homophobie (2014), „Hamburger des Jahres“ in der Kategorie Wirtschaft (2015) und den „VelsPol-Ehrenpreis für Gleichstellung und Akzeptanz in der Gesellschaft und besonders in der Polizei“ (2017).
Privates und Ausblick
Seit Oktober 2006 ist Littmann mit seinem langjährigen Partner Madou Ellabib, einem Tenor im Chor der Hamburgischen Staatsoper, verheiratet. Die beiden gingen die Partnerschaft nach elf gemeinsamen Jahren ein – eine Liebesheirat ohne Ehevertrag, wie Littmann betont.
Mit seiner Arbeit hat Corny Littmann den Hamburger Kiez nachhaltig geprägt und zur Aufwertung St. Paulis beigetragen. Er gilt als Initiator der Neugestaltung des bis dahin heruntergekommenen Spielbudenplatzes, Erfinder von „Santa Pauli“, Hamburgs „geilstem Weihnachtsmarkt“ und ist einer der Bauherren des „Klubhaus“ am Spielbudenplatz mit einer vollflächigen LED-Fassade. Die Reeperbahn gilt heute auch dank Littmans Theatern als „Broadway des Nordens“. Seine Unternehmen kommen ohne öffentliche Zuschüsse aus und haben sich als wirtschaftlich erfolgreiche Kulturinstitutionen etabliert. Zu seinem Imperium zählen neben den Theatern inzwischen Bars, Clubs und Restaurants.
Charakteristisch für Littmann ist sein offener Umgang mit der eigenen Sterblichkeit. Er hat seine Trauerfeier bereits detailliert geplant und möchte über eine Aufzeichnung selbst der „einzige Redner“ sein. Zu den von ihm ausgewählten Liedern gehören „Theater“ von Katja Ebstein und „Halt dich an deiner Liebe fest“ von Ton Steine Scherben – ein passender Soundtrack für das Leben eines Mannes, der die Hamburger Kulturszene und die deutsche LGBTQ+-Bewegung maßgeblich mitgestaltet hat.
Als Wegbereiter für viele queere Künstler, darunter Lilo Wanders und Olivia Jones, hat Littmann nicht nur einzelne Karrieren gefördert, sondern auch zur breiteren gesellschaftlichen Akzeptanz beigetragen. Seinen festen Platz in der Geschichte Hamburgs und der deutschen LGBTQ+-Bewegung hat sich Corny Littmann längst gesichert.
Auf den Spuren der Kiez-Ikonen – jetzt selbst erleben
Corny Littmann ist nur eine von vielen Kiez-Größen, die die Geschichte St. Paulis geprägt haben. Unsere Kult-Kieztouren Reeperbahn Führungen führen dich zu den Original-Schauplätzen, an denen Legenden geboren wurden und große Geschichten geschrieben wurden.
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