Wilhelm „Willi“ Bartels, 1914 im Harz geboren und 2007 in Hamburg gestorben, prägte wie kaum ein anderer das Gesicht des Hamburger Stadtteils St. Pauli. Als einer der bedeutendsten Immobilienbesitzer des Viertels erwarb er sich den Titel „König von St. Pauli“ – auch wenn er selbst diese Bezeichnung nie mochte.
Von Harlingerode nach Hamburg
Im Alter von 13 Jahren kam Bartels mit seinen Eltern nach Hamburg. Zunächst erlernte er das Fleischerhandwerk, folgte damit der Tradition seines Vaters Hermann, der als Schlachtermeister arbeitete. Später absolvierte er eine Ausbildung in der Hotellerie, was den Grundstein für seine spätere Karriere legte.
Der Vater hatte bereits 1929 auf St. Pauli Fuß gefasst und das „Ballhaus Jungmühle“, das „Bikini“ sowie das legendäre „Hippodrom“ erworben. Zu den Gästen des Hippodroms zählten damalige Berühmtheiten wie Curd Jürgens, Willy Birgel und Hans Albers. Der Film „Große Freiheit Nr. 7“ mit Hans Albers verhalf dem Etablissement zu überregionaler Bekanntheit.
Aufbau eines Imperiums
1937 übernahm Willi Bartels von seinem Vater den „Tanzpalast“ und begann damit, sein eigenes Immobilienimperium aufzubauen. Während seines langen Lebens erwarb er zahlreiche Wohnungen, Häuser, Geschäfte und Hotels auf St. Pauli. Eines von diesen: Das noch heute weit über die Stadtgrenzen hinaus bekannte „Hotel Hafen Hamburg“.
Im Laufe der Jahre wuchs sein Immobilienbesitz enorm an. Bis zu seinem Tod gehörten ihm fast die gesamte Große Freiheit, Filetgrundstücke am Hauptbahnhof, Teile der Reeperbahn sowie Teile des ehemaligen Geländes der Bavaria-Brauerei.
Das Eros-Center und der Spitzname „Puff-Willi“
Im Jahr 1967 sorgte Bartels für Aufsehen, indem er auf Initiative des Hamburger Senats das „Eros-Center“ an der Reeperbahn eröffnete. Zu seiner Zeit galt es als das modernste Bordell Europas und wurde sogar als „größtes Freudenhaus der Welt“ bezeichnet. Ziel des Projekts war es, die Belästigung von Passanten durch Prostituierte einzuschränken. Wirtschaftlich erwies sich das „Eros-Center“ allerdings als großer Misserfolg und musste bereits nach wenigen Jahren schließen. Trotz seiner Distanz zum Rotlichtmilieu brachte Bartels dieses Engagement den Spitznamen „Puff-Willi“ ein.
Der Privatmann Willi Bartels
1943 heiratete Bartels seine Frau Gisela, eine ehemalige Tänzerin aus dem „Trichter“ auf St. Pauli. Die Ehe hielt 59 Jahre bis zu ihrem Tod im Jahr 2000. Das Paar hatte zwei Kinder: Tochter Barbara (geboren 1943) und Sohn Michael (geboren 1946). Gemeinsam führten sie ein gutbürgerliches Leben in einem Rotklinkerhaus am Elbhang in Blankenese und reisten auf der „Europa“ um die Welt.
Nach dem Tod seiner Frau zog Bartels von Blankenese zurück auf den Kiez. Tragischerweise erlitt seine neue Lebensgefährtin nach kurzer gemeinsamer Zeit einen Gehirnschlag und fiel ins Koma, aus dem sie nicht mehr erwachte.
Der „Hof“ des Königs
Legendär war Bartels‘ unkonventionelle „Bürosituation“. Täglich hielt er „Hof“ in einer Bierstube des Hotel Hafen Hamburg. Ohne Stift und Zettel, nur mit einem Pils, später einem Alsterwasser und einer preiswerten Zigarre ausgestattet, empfing er dort seine Mitarbeiter, ließ sich Bericht erstatten und gab Anweisungen. „Der Willi“, so sagte man, „hat alles im Kopf.“
Wer Bartels treffen wollte, musste dorthin kommen. Er war stets umgeben von Vertrauten, die ihn informierten und um Rat baten. Bei seinen Geburtstagen standen die Gratulanten Schlange, und anstelle von Geschenken kamen Tausende Euro für wohltätige Zwecke zusammen.
Engagement für St. Pauli
Trotz seines Erfolgs und Reichtums blieb Bartels seinem Viertel tief verbunden. Er gründete die Interessengemeinschaft Sankt Pauli, einen Zusammenschluss der auf dem Kiez ansässigen Betriebe, die sich gegen zunehmenden Nepp richtete. Dem St. Pauli Museum war er lange Jahre ein Förderer und Freund.
Sein soziales Engagement hielt er dabei stets im Hintergrund – er half, ohne es an die große Glocke zu hängen. Wer wirklich Hilfe brauchte, konnte auf Bartels zählen.
Letzte Jahre und Vermächtnis
Sein letztes großes Projekt war das „Empire Riverside Hotel“ auf dem Gelände der ehemaligen Bavaria-Brauerei. Die Eröffnung erlebte er noch – fünf Tage später, am 5. November 2007, starb Willi Bartels im Alter von 92 Jahren im Altonaer Krankenhaus, knapp sechs Wochen vor seinem 93. Geburtstag.
Sein Nachlass wurde auf einen Wert von über 500 Millionen Euro geschätzt. Seine Geschäfte hatte er an seine Enkelsöhne weitergegeben, insbesondere an den Enkel Andreas Fraatz, der als Manager der Bartels-Hotels fungierte.
Auf die Frage, was er immer schon einmal tun wollte, sich aber nie getraut habe, antwortete er charakteristisch direkt: „Gibt es nicht.“ Für seine möglicherweise zu schreibende Biografie wünschte er sich den Titel: „Mein erfülltes Leben.“
Noch heute ist Willi Bartels auf St. Pauli präsent: Im Wachsfigurenkabinett „Panoptikum“ schaut er vom Balkon auf die ankommenden Gäste, die „Willi-Bartels-Treppe“ führt zum Hotel Hafen Hamburg, und regelmäßig treffen sich seine Weggefährten zum Stammtisch, um diesen echten Paulianer zu würdigen.
Bartels Ruhm ging weit über die Kiez-Grenzen St. Paulis hinaus. Sat.1 setzte ihm mit Star-Regisseur Dieter Wedel Ende der 90er mit dem TV-Mehrteiler „Der König von St. Pauli“ eine Art filmisches Denkmal.
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