Große Freiheit in Hamburg

Wo die Freiheit vor 400 Jahren begann

Nur 500 Meter lang, aber mehr als 400 Jahre Geschichte — die Große Freiheit ist weit mehr als nur eine Seitenstraße der Reeperbahn. Sie ist die Geburtsstunde der Toleranz in Hamburg, ein Symbol für Religionsfreiheit und heute eine der berühmtesten Partymeilen der Welt. Von den Beatles bis zu Olivia Jones, von barocker Kirchenkunst bis zu modernsten Clubs — nirgendwo prallen Tradition und Moderne so aufeinander wie hier.

1610: Als Toleranz noch revolutionär war

Die Geschichte der Großen Freiheit beginnt 1601 mit einer für damalige Verhältnisse revolutionären Idee: Graf Ernst von Schauenburg-Holstein erlaubte verfolgten Katholiken, Mennoniten, Juden und anderen Glaubensflüchtlingen, sich am Rande seiner Stadt Altona niederzulassen und dort ihre Religion frei auszuüben. Während im benachbarten Hamburg strenge lutherische Regeln herrschten, galten auf der Großen Freiheit bereits im 17. Jahrhundert Religions-, Gewerbe- und Zunftfreiheit.

Der Name ist also Programm: „Große Freiheit“ steht für die Freiheiten, die hier ansässige, unzünftige Handwerker und Glaubensgemeinschaften genossen. Diese Toleranz war so ungewöhnlich, dass sie Menschen aus ganz Europa anzog. Bis 1937 gehörte die Straße zu Altona und damit zeitweise sogar zu Dänemark — erst mit dem Groß-Hamburg-Gesetz wurde sie Teil von St. Pauli.

St. Joseph: Die Kirche im Herzen des Kiezes

Das beeindruckendste Zeugnis dieser frühen Religionsfreiheit steht noch heute: die katholische St.-Joseph-Kirche an der Großen Freiheit 41. 1723 fertiggestellt, ist sie die erste nach der Reformation in Nordeuropa errichtete katholische Kirche und eine der schönsten Barockkirchen nördlich der Elbe.

Die repräsentative barocke Backsteinfassade mit ihren Sandsteinelementen und dem von Voluten geschmückten Giebel bildet einen faszinierenden Kontrast zu den Nachtclubs und Bars ringsum. Dass über dem Portal „Es gibt nichts, womit Jesus nicht fertig wird“ steht, bekommt hier eine besondere Bedeutung.

Pastor Karl Schultz, der „Kiez-Pastor“, wie er sich selbst nennt, öffnet die Kirche regelmäßig für das Format „St. Joseph By Night“. Bei Musik und Gebet können Besucher im Kirchenraum zur Ruhe kommen — bis zu 600 Menschen nutzen dieses Angebot. 2023 feierte St. Joseph ihr 300-jähriges Bestehen unter dem biblischen Motto „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“.

Die Beatles: Von Liverpool zur Großen Freiheit

Weltberühmt wurde die Große Freiheit durch fünf junge Musiker aus Liverpool. Als die Beatles 1960 das erste Mal nach Hamburg kamen, spielten sie im Indra-Musikclub (Große Freiheit 64) und später im Kaiserkeller. Hier, wo heute noch Konzerte stattfinden, sammelten John, Paul, George, Stuart und Pete ihre ersten internationalen Erfahrungen.

Nächtelang spielten sie in den Clubs auf der Großen Freiheit – oft acht Stunden am Stück – und perfektionierten ihren Stil. Hamburg war ihr musikalisches Trainingslager, das sie auf ihre Weltkarriere vorbereitete. John Lennon soll später gesagt haben: „Ich bin in Liverpool geboren, aber in Hamburg erwachsen geworden.“

Von mondänen 20ern bis zur modernen Partymeile

Die Große Freiheit erlebte besonders in den 1920er Jahren eine mondäne Blüte. Das Varieté Neuchina in der Großen Freiheit 11 brachte den Fernen Osten nach Hamburg und wurde zum Treffpunkt der kleinen chinesischen Gemeinde. In den Hippodromen ritten „leicht beschürzte Damen“ im Kreis, während die Zuschauer johlten — eine Szenerie, die Hans Albers 1944 im Film „Große Freiheit Nr. 7“ mit der St. Pauli-Hymne „Auf der Reeperbahn nachts um halb eins“ unsterblich machte.

Nach dem Krieg kamen die Striptease-Kabaretts. Clubs wie das Salambo, Safari und Colibri boten Shows, die weit über das hinausgingen, was anderswo möglich war. Heute prägt ein bunter Mix das Straßenbild: von Olivia Jones‘ Lokalen über das Dollhouse bis zu den Konzert-Locations Große Freiheit 36 und Gruenspan.

Toleranz als Tradition

Was die Große Freiheit so besonders macht, ist die Kontinuität ihrer Grundidee. Die Toleranz, die Graf Ernst vor 400 Jahren ermöglichte, lebt bis heute fort. „Die Toleranz, die damals hier herrschte, schwebt auch heute noch wie ein unsichtbares Tuch über unserem Stadtteil“, sagt Pastor Schultz. „Die Menschen auf St. Pauli gehen sehr tolerant miteinander um.“

Hier begegnen sich bürgerliche Anwohner und hippe Partygänger, Szenepublikum und Touristen aus aller Welt. Drag Queens arbeiten neben Barkeepern, Musiker neben Gastronomen. Die Große Freiheit ist ein Ort, wo Unterschiede nicht trennen, sondern bereichern.

Ein lebendiges Kapitel Hamburger Geschichte

Heute ist die Große Freiheit mehr als eine Partystraße — sie ist ein lebendiges Kapitel Hamburger Kulturgeschichte. Von der ersten katholischen Kirche Nordeuropas nach der Reformation über die Anfänge der Beatles bis zu den modernsten Clubs: Hier wird täglich Geschichte geschrieben.

Wie der Spielbudenplatz steht auch die Große Freiheit für die Vielseitigkeit von St. Pauli. Sie zeigt, dass Toleranz und Offenheit nicht nur schöne Worte sind, sondern gelebte Tradition – seit mehr als 400 Jahren.

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Von Glaubensfreiheit zu Rockgeschichte, von barocker Kirchenkunst zu modernem Nachtleben — die Große Freiheit erzählt 400 Jahre Toleranz und Wandel. Doch das ist nur ein Teil der faszinierenden Geschichten, die St. Pauli zu bieten hat.

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