Im November 2008 öffnete die Olivia Jones Bar in der Großen Freiheit 35 ihre Türen. Nur wenige Kiez-Nachbarn glaubten damals an einen Erfolg:
„Fast alle haben gesagt: ‚Schlager auf der Großen Freiheit? Das klappt doch nie!‘“ erinnert sich Olivia.
Doch es kam bekanntlich anders: Die Olivia Jones Bar wurde Keimzelle von „Olivias kleinem Kiez Imperium“, wie die Presse Olivias fünf familiäre Läden auf der Großen Freiheit gerne nennt. Zur Bar kamen über die Jahre u. a. „Olivias Show Club“ und das „Bunny Burlesque“ hinzu, ein kleines Travestie-Theater und eine Bühne für Burlesque-Shows.
Über der Bar zogen 2018 eine „Sexpuppenstube“ und Olivias „Fummelfundus“ ein – beides exklusive Stationen der berühmten Kult Kieztouren. Gäste der Reeperbahn Führung können hier unter anderem die Zukunft der Erotik und besondere Kostüme besichtigen. Darunter Olivias Original Dschungelcamp Outfit von 2013 sowie zahlreiche schrille Perücken, Handtaschen und High Heels.
Manche Gäste überrascht der Zustand des Gebäudes und des Inventars der Olivia Jones Bar. Vermutlich, weil sie DAS HIER alles noch nicht wissen:
Olivia Jones Bar ist „kreativer Denkmalschutz“
Wie unsere Kult Kieztouren Historikerin Eva „Doc“ Decker zu berichten weiß, ist das Gebäude eines der ältesten der Straße und vielleicht auch eines der spannendsten:
Vor rund 60 Jahren eröffnete in den Räumen ein Flüchtling aus der „sozialistischen Republik Jugoslawien“ das als „Transen-Bar“ berühmt-berüchtigte „Rasputin“ und darüber eine sogenannte „gewerbliche Zimmervermietung“. Dieses besondere Geschäftsmodell bot eine Art Grauzone:
Homosexualität und Prostitution waren noch verboten. In der Bar konnten Transsexuelle mit potentiellen Freiern anbandeln und in den Etagen darüber stundenweise Zimmer beim Wirt mieten. Für viele Transsexuelle war Prostitution damals eine der wenigen Möglichkeiten, zu etwas Geld zu kommen. Von einem ganz „normalen“, bürgerlichen Leben blieben die meisten ausgegrenzt.
Das „Rasputin“ brachte es zu einiger Bekanntheit. Auch über St. Pauli hinaus. Neben Ron Wood von den „Rolling Stones“ war auch Wladimir Putin zu Gast. Wie man heute weiß, war Putin damals allerdings offenbar in offizieller Mission unterwegs. Laut Putins Biographie gab es kurzzeitig Überlegungen St. Petersburg zu einer Art russischem St. Pauli zu machen.
Die Große Freiheit 35 ist noch immer im Besitz der Nachkommen des ehemaligen Rasputin-Betreibers und ein Großteil des heutigen Inventars der „Olivia Jones Bar“ stammt noch aus dem Rasputin. Olivia war es wichtig, diesen ungewöhnlichen „Charme“ zu erhalten, um an die besondere Geschichte des Gebäudes und der Bar zu erinnern.
Die Etagen über der Olivia Jones Bar, wo vorher die gewerbliche Zimmervermietung war, beherbergen heute u. a. einen Teil von Olivias Kostümfundus, der mit Kult-Kieztouren besichtigt werden kann.
Große Freiheit 35 – lange Tradition von Männern in Frauenkleidern
Männer in Frauenkleidern haben in der Großen Freiheit 35 eine lange Geschichte, die weit über die Olivia Jones Bar und das Rasputin hinaus geht. U.a. gab es hier vorher die berühmte „Barcelona“ (laut der damaligen Animierdame Helga, die auch als Deutschlands schwerste Stripperin „Dickie Dixon“ auftrat, „ein ganz normaler Travestie-Schuppen“). In einem St. Pauli Reiseführer ist der Laden 1971 wie folgt empfohlen:
„Eine kleine Transvestitenbar mit Musikbox und teils recht attraktiven „Damen“. Versuchen Sie Ihre Gesellschaft am Tisch oder an der Bar auf Ihre Auserwählte zu beschränken, denn als Damengedeck bestellt man hier nur doppelten Cola/Rum“.
Was halb so schlimm klingt, konnte schnell ins Geld gehen: Ein Longdrink kostete 25 Mark. Damals ein kleines Vermögen. Und sog. Animierdamen wie Helga waren geschult, den Herren die teuren Getränke aus der Tasche zu „kitzeln“ (weshalb man solche Bars übrigens auch „Kitzelbars“ nannte).
Ein ungewöhnliches Geschäftsmodell, dass auch heute noch in einigen wenigen Bars auf St. Pauli praktiziert wird und bei den oft ahnungslosen Gästen nicht immer für Begeisterung sorgt. Deshalb raten unsere KultKieztouren-Guides den Gästen auch immer zum Blick in die Karte, bevor leichtfertig aus Versehen ein überteuertes Getränk bestellt wird. Das ist nämlich nicht immer der Schampus, sondern kann in Nepp-Läden auch der harmlos klingende O-Saft sein.
Warum sich Olivia Jones manchmal inkognito unter die Gäste mischt
Stolz ist Olivia vor allem darauf, dass mit der Olivia Jones Bar ihr größter Wunsch in Erfüllung gegangen ist:
„Die Olivia Jones Bar sollte immer ein Ort sein, an dem sich Menschen begegnen, die sonst nie zusammen feiern würden. Das zu erleben, ist das größte Kompliment. Manchmal mische ich mich dafür sogar inkognito unter die Gäste, weil ich mich an der ausgelassenen Stimmung gar nicht sattsehen kann. Mein Team schafft dort Abend für Abend eine ganz besondere Atmosphäre. Einige Mitglieder sind schon so lange dabei, wie ich denken kann. So was ist wirklich selten in der Gastro-Branche.“