Die Zuhälterkartelle von St. Pauli: Aufstieg und Fall der GMBH

Das Hamburger Rotlichtviertel rund um die Reeperbahn auf St. Pauli wurde über Jahrzehnte von organisierten Zuhältergruppen kontrolliert, die den lukrativen Prostitutionsmarkt beherrschten. Eine der einflussreichsten Gruppierungen war die GMBH, eine Abkürzung aus den Vor- bzw. Spitznamen ihrer vier Gründungsmitglieder: Gerd Glissmann, Michael „Mischa“ Luchting, Walter „Beatle“ Vogeler und Harry Voerthmann.

Die Ära Wilfried Schultz

Bevor die GMBH an die Macht kam, herrschte in den 1970er Jahren Wilfried Schultz über die Reeperbahn. Der als „Pate“ bekannte und als „Frieda“ gefürchtete Schultz hatte seine Karriere in den 1960er Jahren als Bananenpacker im Hafen und später als Kellner auf dem Kiez begonnen. Sein Machtanspruch festigte sich, nachdem er 1965 die Wiener Zuhälter aus St. Pauli vertrieben hatte. Schultz präsentierte sich stets im besten Zwirn und bemühte sich um das Image eines respektablen hanseatischen Geschäftsmanns.

Gegen ihn wurde 23 Mal ermittelt, doch die Verfahren endeten stets mit Freisprüchen. Anfang der 1980er Jahre zog sich Schultz allmählich zurück, da er mit dem aufkommenden Drogenhandel nichts zu tun haben wollte. Zuletzt betrieb er nur noch das Edelbordell „Café Cherie“ am Steindamm in St. Georg, bevor er 1983 wegen Steuerhinterziehung zu zweieinhalb Jahren Haft verurteilt wurde.

Die GMBH übernimmt die Macht

Mit dem Machtverlust von Schultz etablierte sich die GMBH als erste große Zuhälterorganisation auf dem Kiez. Die vier „Manager“ verkörperten das typische Bild des erfolgreichen Zuhälters mit großen Autos, teuren Uhren und gepflegtem Erscheinungsbild. Sie erwirtschafteten monatlich rund 200.000 DM und beschäftigten etwa 120 weitere Zuhälter.

Die Organisation war hierarchisch strukturiert mit klaren Zuständigkeitsbereichen: Gerd Glissmann, ein ehemaliger Postbote und Karatekämpfer, war für die Finanzen zuständig; Michael Luchting, ein Bankkaufmann aus gutem Hause, kümmerte sich um die Anwerbung („Poussieren“) und „Frauenbetreuung“; Walter Vogeler fungierte als Boss und war für „Zucht und Ordnung“ verantwortlich; Harry Voerthmann, ein ehemaliger Fremdenlegionär, komplettierte die Führungsriege.

Das Hauptquartier der GMBH befand sich in der Silbersackstraße Nr. 3. Sie kontrollierten bedeutende Etablissements wie das Eros-Center und das Palais d’Amour. Die Organisation war für ihre harte Behandlung der Prostituierten bekannt, die abfällig als „Hühner“ bezeichnet wurden.

Konkurrierende Kartelle und Eskalation der Gewalt

Ende der 1970er/Anfang der 1980er Jahre traten Konkurrenten auf den Plan. Die sogenannte Nutella-Bande sowie eine Gruppe um den Zuhälter Ringo, die sich im „Chikago“ am Hans-Albers-Platz traf, begannen ihre eigenen Ansprüche geltend zu machen. Der gemeinsame Treffpunkt aller Gruppen war die Diskothek „Top Ten“, und zunächst blieb es bei vereinzelten Prügeleien.

Zwei Entwicklungen führten jedoch zu einer dramatischen Verschärfung der Lage: Das Aufkommen des Kokainhandels als einträgliches Geschäftsfeld und der zunehmende Einsatz von Schusswaffen. Die Gewaltspirale begann mit der nie vollständig aufgeklärten Ermordung von „Chinesen-Fritz“ am 28. September 1981 in der Gaststätte „Ritze“.

Ein weiterer Wendepunkt war eine Schießerei am 21. Oktober 1982 im „Salon Bel Ami“ im Eros-Center. Nach einem Streit zwischen zwei Prostituierten wollte Thomas Born, genannt „Karate-Tommy“, die Angelegenheit mit einer Schlägerei klären. Die anwesenden Zuhälter zogen jedoch Pistolen und eröffneten das Feuer. „SS-Klaus“ und „Angie“ starben sofort, während Tommy trotz Bauchschuss fliehen konnte.

In den folgenden Jahren kam es zu zahlreichen weiteren Tötungsdelikten im Zusammenhang mit den Revierkämpfen zwischen den Zuhältergruppen. Der Auftragsmörder Werner „Mucki“ Pinzner spielte bei mehreren dieser Fälle eine Rolle.

Das Ende der GMBH

Gegen Ende der 1980er Jahre löste die GMBH ihre hierarchischen Strukturen auf, um der verschärften polizeilichen Verfolgung zu entgehen. Zudem hatte die Ausbreitung von AIDS und die zunehmende Gewalt das Geschäft mit der Prostitution auf St. Pauli beeinträchtigt. Gerd Glissmann knüpfte zu dieser Zeit erste Kontakte zu den Hells Angels, die sich später im Eros-Center beteiligten und als neue Macht im Rotlichtmilieu etablierten.

Die Geschichte der GMBH markiert somit eine Übergangsphase im Hamburger Rotlichtmilieu – vom vergleichsweise geordneten System unter Wilfried Schultz über die „Goldene Zeit“ der GMBH bis hin zur blutigen Eskalation, die schließlich den Weg für neue kriminelle Strukturen ebnete.

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